BILBAO

Shake Well Tour

Freitag, 16. Dezember 2022 • Helgas Stadtpalast • Rostock
Einlass: 19:00 Uhr • Beginn 20:00 Uhr
VVK: 21,50 € zzgl. Geb.

Shake it off? Shake it like a polaroid picture? Shake well! Denn wir müssen kräftig schütteln, um die Dinge in Bewegung zu bringen. Die Hamburger Band Bilbao liefert mit ihrem Debütalbum „Shake Well‟, welches am 24. Juni erscheint, den ultimativen Soundtrack, sich Alltag und Ängste, Routinen und Phlegma beherzt aus Leib und Seele zu schütteln. Bis das Herz wie verrückt pocht und der Blick sich weiten kann. Bis von Melancholie zu Euphorie wieder alles vibrieren darf. Die zehn Songs zwischen Indie und Pop betören mit ultraleichter Vielschichtigkeit. Mit komplex ausgetüftelter Rhythmik, unfassbar einnehmenden Melodien und dynamisch pulsierenden Arrangements. „Shake Well‟ ist bei der Band gleichermaßen Lebensphilosophie und künstlerischer Ansatz. Dass sich all die Details und Ideen auf dem Album derart eingängig verbinden, liegt im speziellen Bilbao-Mix begründet.
Bassist und Mastermind Jannes hat unter seinem Hip-Hop-Pseudonym Jomo bereits mit Samy Deluxe, Haiyti und Megaloh gearbeitet. Gitarrist Robin bewegt sich im munteren Grenzgang von Garage-Rock bis Electro und zeichnet zudem für das Artwork vom Plattencover bis zur Videoproduktion verantwortlich. Schlagzeuger Jan hat seine Wurzeln im Post-Rock, während sich Sänger Léon in Folk und Indie-Rock zuhause fühlt. Gut geschüttelt entsteht aus all diesen Zutaten ein Cocktail mit ganz eigenem und sehr besonderem Geschmack. Frisch und fruchtig, mit feinen zartbitteren Noten. Das Resultat: Ein beglückender Schwips. Eine durchfeierte Nacht auf dem Reeperbahn Festival 2019 lieferte die Initialzündung, Bilbao zu gründen. Und direkt ein Jahr später spielte die Band bereits zweifach auf dem renommierten Hamburger Clubfestival. Kennengelernt haben sie sich allerdings schon früher. In der Szene, beim Studium. Kein Wunder, treffen bei Bilbao doch vier Persönlichkeiten aufeinander, die jeweils von Kindheit an verschiedene Instrumente spielen. Und die seit ihrer Jugend permanent in Bands und Projekte involviert sind. Musiknerds im allerbesten Sinne. „Wir sind eine sehr produktive Band, die viel ausprobiert. Von manchen Songs existieren bis zu 70 Versionen‟, sagt Robin über die Entstehung des Albums, das in Jannes‘ Schlafzimmerstudio sowie im Hamburger Boogie Park Studio produziert wurde.
Bilbao sind durchdrungen von einem professionellen DIY-Geist, der auch Posterkunst und T-Shirt-Drucke umfasst. Im Fokus steht jedoch die Musik. Eine organische Synthese aus digital und analog – vom ausgeklügelten Sampling über wogende Synthesizer bis hin zu einer spielfreudigen Auswahl an Rhythmusgeräten wie Darbukas, Shakern und Congas. Direkt im Opener entfaltet sich der treibende Signature-Sound von Bilbao aufs Schönste: In „Ok Bye‟ treffen Adrenalin und Aufbruch auf driftenden Indie-Pop und Afrobeat-Anleihen. Mit catchy Gitarren ruft „Get Up!‟ zur gemeinsamen Flucht aus der 9 to 5-Tristesse auf, während „Mojito‟ mit flackernden Electronica die Anziehungskräfte einer Clubnacht feiert. Wie sehr lässt sich das Leben auskosten, ohne dass die Jagd nach dem nächsten Glücksmoment schal wird oder gar in (Selbst-)Zerstörung mündet? Diese Frage schwingt stets mit bei Bilbao. Das wechselvolle Verhältnis von eigenem Hedonismus und globaler Entwicklung verhandelt die Single „Parasols‟. „Mama told me: get out of the sun / but I wanna tan like everyone‟, singt Léon in flirrenden Höhen. Ein Hitzetraum von einem Song, zu dem sich formidabel tanzen lässt. Und in dem kritische Inhalte subtil durchschimmern. „Der Klimawandel beschäftigt uns sehr‟, sagt der Sänger. „Wir wollen das Thema in unsere Kunst einfließen lassen. Aber ohne Maßregelung. Eben in Bilbao-Art.‟
Wer die Single „Wild At Heart‟ hört, der spürt unmittelbar, was für eine Live-Energie diese Band zu entfesseln vermag. Der Song ist eine Ode an das Jungsein. An dieses innere Glühen, mit Freunden ohne Ziel durch die Straßen zu ziehen, im Park abzuhängen, das Leben zu spüren.
Mit ihrer Gründung ist die Band geradewegs in die Pandemie hineingeschlittert. Doch die Corona-Zeit hat auch dazu geführt, dass sich Jannes, Robin, Léon und Jan nun noch stärker auf ihre Musik fokussieren. Wie das künstlerische Dasein mitunter mit bürgerlichen Erwartungen kollidiert, verhandelt der Song „Pizza Boxes‟. „Viele haben während dieser Krise gesagt: Ich lass es sein mit der Kunst. Das ist absolut verständlich‟, erzählt Jan. „Aber bei mir hat sich eher noch das Bewusstsein eingestellt: Jetzt ziehe ich das richtig durch. Bilbao versucht, spielerisch mit Herausforderungen wie der Corona-Zeit umzugehen.
Diesen optimistischen Spirit trägt BILBAO bereits im Namen. Denn gemeint ist weniger die konkrete Stadt an der spanischen Atlantikküste, sondern vielmehr die Utopie von einer unbeschwerten Existenz im Süden, von einem harmonischen Miteinander. Mit Witz, Charme und Genuss. „In meinem Elternhaus lief früher dieses Chanson von Yves Montand, in dem Bilbao als Sehnsuchtsort entworfen wird. Das hat mich inspiriert‟, sagt Jannes. Dass Laissez-faire und Melancholie, Exzess und Ruhebedürfnis stark miteinander verwoben sind, davon erzählt „Slow It Down‟. Im wunderbar entschleunigten Duett mit der Berliner Musikerin Thala singt Léon davon, die dunklen Gedanken zu umarmen und sich selbst besser kennenzulernen. Auch das Langsame schüttelt uns mitunter heftig durch. „Shake Well‟ funktioniert in jedem Tempo. Das Album macht schlichtweg große Lust, sich beherzt zu bewegen. Wohin? Das gilt es herauszufinden.

Foto © Daniel Siefert