GISBERT ZU KNYPHAUSEN

(vergangenes Event, 2012)
Donnerstag, 26. Januar 2012 • Zwischenbau • Rostock
supp.: daantje & the golden handwerk — 26.01. Zwischenbau — Einlass: 20:00 Uhr
Es gibt Tage, da fragt man sich: Warum? Warum Popmusik, warum so viele Löcher im Asphalt und wieso ist das Leben so ungerecht? Gisbert zu Knyphausen hat auf diese Fragen ebenso wenig eine

supp.:

daantje & the golden handwerk

26.01. Zwischenbau
Einlass: 20:00 Uhr
vvk: 15,- € zzgl Geb.
ak:   19,- €

(in Kooperation mit KULTURKOMBINAT GmbH)


Es gibt Tage, da fragt man sich: Warum? Warum Popmusik, warum so viele Löcher im Asphalt und wieso ist das Leben so ungerecht? Gisbert zu Knyphausen hat auf diese Fragen ebenso wenig eine Antwort wie wir. Aber wenn er in seinen Liedern über die Rumpelpisten unserer Existenz nachdenkt, verwandeln sich Melancholie und Ratlosigkeit in einen lakonischen Neuanfang: „Die Welt ist grässlich und wunderschön“ heißt es in einem Song des neuen Albums „Hurra Hurra! So nicht“. Fast ein Motto. Denn wie oft passiert es, dass wir loslaufen möchten, aber nicht wissen in welche Richtung. Dass wir uns über etwas freuen, obwohl es vielleicht auch Nachteile bringt.

Das 2008 erschienene Debütalbum von Gisbert zu Knyphausen war allerdings ziemlich makellos und hat viele überrascht: Ohne grossen Medien-Hype, ohne große Werbekampagne verkaufte sich das Debutalbum ganz hervorragend. Die Konzerte waren nicht einfach nur gut besucht, sie waren brechend voll. Fast immer wurde mitgesungen – und zwar textsicher. Man redete über diesen gut aussehenden, aber etwas schüchternen Typen und seine poetischen Songs. Man hat ihm das Etikett „Liedermacher“ angeheftet, ihn mit Reinhard Mey vergliechen. Was bei Songs wie „Spieglein, Spieglein“ vielleicht sogar zutraf.

Nun gibt es endlich ein neues Album von Gisbert zu Knyphausen, dessen Familie seit 1350 schon den ein oder anderen Minister, Diplomaten und zuletzt Weinbauern hervorgebracht hat. Die Songs sind dunkler und romantischer als beim Debüt, musikalisch raffinierter und inhaltlich tiefer. „Hurra, Hurra! So Nicht“ entstand in Tobias Levins renommiertem Electric Avenue Studio. Tocotronic haben hier aufgenommen, auch Rocko Schamoni, Kante, Slut und Kristof Schreuf. Weil Levin selber Musiker ist, sich Zeit nimmt und auch Details wichtig findet, klingen seine Produktionen auf eine superbe Weise vielfältig und reich.

Auch Gisbert zu Knyphausen und seine vierköpfige Band verblüffen nun mit einem Stück wie „Nichts als Gespenster“ das sich ganz leise herantastet. Ein Blues, der von Piraten handelt die unsere Seelen entern und wo jeder Ton, jedes Saitenkratzen wie ein schillerndes Ereignis klingt. Es gibt auf dem Album noch viele solcher Klangwunder zu bestaunen. „Tobias Levin ist schuld“, sagt der auch mit 30 noch sehr jungenhaft wirkende Gisbert, „der hat extrem gute Ohren wenn es um Arrangements geht“. Mag sein. Doch mindestens so wichtig waren die über 100 Konzerte, die Knyphausen & Band in den letzten zwei Jahren gespielt haben – große Festivals ebenso wie kleine Rumpel-Clubs. Und immer war viel Verve und Leidenschaft dabei. Selbst vor 2000 Zuschauern wirkt der in Hamburg gestrandete Rheinländer als würde er im eigenen Wohnzimmer ein paar Freunde unterhalten.

Schon der erste Song des Albums ist eine Überraschung: „Hey“ beginnt einem entfesselten (aber dann auch wieder zurückgenommenen) Gitarrensturm und erzählt von depressiven „Gedanken aus Beton“ und „Staub in meinem Zimmer“. Das klingt melancholisch, wirkt aber auch ziemlich wütend: „Die meisten Sachen, über die ich mich aufrege, haben mit mir selbst zu tun. Trotzdem gibt es auch in der Gesellschaft und bei anderen Menschen Dinge, die mich nerven. Und ich kenne auch dieses schwer zu beschreibende Gefühl, dass die Amerikaner „Teenage Angst“ nennen.

Man spürt diese latente Unzufriedenheit auch bei „Grau, Grau, Grau“ mit der markanten Zeile „Wir brauchen einen neuen Anfang!“: „Das kann man durchaus politisch verstehen, aber so ist es nicht gemeint“, erklärt Gisbert. „Ich überlasse es allerdings lieber den Leuten, was sie in meinen Texten hören. Jeder hat seine eigenen Bilder und seine eigene Lebenserfahrung, die er mitbringt und so die Texte zum Leben erweckt. Mit meiner ursprünglichen Intention hat das dann möglicherweise gar nichts mehr zu tun“.

Immer wieder tauchen in den neuen Songs maritime Bilder voller Sehnsucht auf, wie in einem Leitmotiv ist vom Fluss, vom Hafen und den Schiffen die Rede. Da werden „Kräne“ zu „gewaltigen Tieren, mit metallenen Klauen und Neonlicht Augen“ die ihre Arbeit im Hamburger Hafen verrichten. Gisbert sieht ihnen in einer Sommernacht zu „mit den Füßen im kühlenden Sand“ und den Gedanken ganz weit weg.

Wie schon beim Debüt basieren die meisten Songs des Albums wieder auf realen Erlebnissen. „Seltsames Licht“, zum Beispiel, erzählt vom Tod eines geliebten Menschen und man spürt in jeder Silbe die Traurigkeit die hier mitschwingt. Aber da ist auch die Schönheit der Erinnerung und dieses seltsame Licht.

„Hurra, Hurra! So nicht“ klingt deutlich melancholischer, ernster und tiefer als das Debüt. „Dass man mich heute noch mit Reinhard Mey vergleicht kann ich mir eigentlich kaum vorstellen“, sagt Gisbert. Und wir sehen das genauso. Gisbert zu Knyphausen ist heute eine atemberaubende Band und ein junger Songschreiber der immer wieder neue treffende Bilder für seinen und unseren Alltag findet. Davon wird vielleicht nichts besser. Aber es tut einfach verdammt gut.

Ach ja, was hat es eigentlich mit dem Albumtitel auf sich und dem gleichnamigen Song? „Damit wollte ich das Gefühl von Eifersucht auf den Punkt bringen. Wo man einerseits total wütend ist und andererseits bettelt: Bitte bleib hier!“ Trauer und Glück sind nur zwei Seiten der selben Geschichte. Wir nennen sie unser Leben und nur wenige können darüber so gut singen wie Gisbert zu Knyphausen.